Schweden für Daheimgebliebene (Trupp Württemberg II)

Vielleicht war es das Fernweh, das uns packte und mit sich schleifte. Jedenfalls zog uns irgendetwas nach Schweden. Und es packte viele, denn 39.000 Pfadfinder aus der ganzen Welt kamen zusammen, um eine einzige, riesige kulturelle Party zu feiern. Diese unglaubliche Reise wird wohl keiner von uns so schnell vergessen. Und bereuen? Niemals.

Die JamboreefahrerInnen des Trupp "Schwobahaufa" (Württemberg II) auf dem Platz.

Die Erschöpfung stand uns allen ins Gesicht geschrieben als wir ankamen. Aber wir waren angekommen. Das war auch dem Letzten allerspätestens dann bewusst geworden, als uns bei unserem ersten kurzen Marsch durch das Lager Menschen aus der ganzen Welt begegneten, waren es nun welche aus unseren Nachbarländern wie der Schweiz oder Frankreich, oder eben aus Thailand, Argentinien, Israel, Nigeria und so vielen mehr. Erneut kamen wir an. Dieses Mal auf dem uns zugewiesenen Zeltplatz inmitten der unterschiedlichsten Nationen, die man sich nur vorstellen kann. Und das Lebensumfeld der nächsten zwei Wochen wurde natürlich erst einmal kritisch betrachtet, bevor wir unser Material am Sammelplatz abholen gingen. Wasserstelle und Toilettenanlagen in direkter Nachbarschaft und auch Duschen und der Lagersupermarkt waren schnell zu erreichen. Man hätte sich nichts Besseres wünschen können. Unsere Nachbarn kamen aus Sri Lanka, Indien, Japan und Schweden. Die ungewohnten Eindrücke überwältigten uns. Euphorie brach aus. Unser glückliches Singen und Lachen störte hier niemanden. Es fühlten ja alle dasselbe. 39.000 Menschen aus über 150 Nationen kann man ja auch nicht gerade alltäglich nennen. Hallo Welt.

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Bevor es zu diesem mehr als großartigen Ereignis kommen konnte, waren allerdings einige Vorbereitungen nötig. Im Sommer 2010 traf sich unser Trupp, der damals noch schlicht als Trupp Württemberg 2 in den Listen stand, zum ersten Mal. 37 Teilnehmer und vier Truppleiter aus den Regionen rund um Stuttgart und Heilbronn.  Na das kann ja heiter werden, dachte sich da so mancher. Ob es wohl klappt, diesen bunten Haufen zu einer funktionierenden Einheit zusammenzuschweißen? Doch die Zweifel wurden im Laufe der darauffolgenden Vorbereitungstreffen über Bord geworfen. Mit Spielen und gemeinschaftlichem Kochen wurde das Gruppengefühl zunehmend gestärkt und erste Freundschaften entwickelten sich schon sehr bald. Aus Trupp Württemberg 2 wurde mehr und mehr ein „Schwoabahaufa“.

Der Aufbau unserer Zelte auf dem deutschen Vorlager erfolgte in strömendem Regen. Der Fakt, dass der Zeltplatz normalerweise als Kuhweide fungiert, machte die Sache dabei nicht besser. Schon bald konnte man nicht mehr unterscheiden, was Kuhfladen und was Matsch war. Egal, denn auch bei eher mäßigem Wetter ließen wir uns die Laune nicht verderben. Viel zu lustig war es, die Pfadfinder der anderen Bundesländer einmal näher kennen zu lernen. Wir hatten uns schon ziemlich schnell einen Namen gemacht. Einen Namen, den niemand aussprechen konnte. „Schwoabahaufa“ schien vor allem bei unseren norddeutschen Freunden einige schwerwiegende Sprachprobleme zu verursachen. Für Belustigung auf beiden Seiten diente es allemal.

Auch während dem Jamboree sorgte der „Schwobahaufa“ für weiteres Aufsehen. Unser selbst gegrabener Pool (2x2x1, 5m) wurde kurzerhand von den ISTs verboten und anschließend zu einer Gedenkstätte umfunktioniert. Mehrere Leute wollen gesehen haben, dass dort auch tatsächlich gebetet wurde. Unsere Freizeit verbrachten einige von uns damit, sich täglich in den Quest Parcour zu schmuggeln und dort die überschüssige Energie abzubauen. Andere wiederum suchten nach kreativen Ideen, sich vor ihrem Spül- und Küchendienst zu drücken. So war die Truppleitung doch sehr erstaunt, eines Abends ein „Cleaning in Progress“ -Schild im Küchenzelt zu finden.

Die zwölf Tage in Kristianstad vergingen leider viel zu schnell. Es war, als weine der Himmel über den Abschied der Pfadfinder. Und er weinte heftig. Die starken Schauer konnten der guten Stimmung aber auch zu Ende des Jamborees während der ClosingCeremony nichts anhaben, alle genossen die Auftritte von schwedischen, aber auch internationalen Künstlern, wie Kate Ryan.Viele von uns waren völlig durchnässt („Ich brauch doch keine Regenjacke“). Auf eine kurze Nacht eingestellt, mussten wir näher zusammenrücken, da es so stark regnete, dass das Wasser zu den Seiten hereinfloss. Um Vier Uhr klingelte der Wecker. Ein weiteres Mal hieß es alle Kräfte zusammenzunehmen, seine Sachen zu packen, den Rucksack zu schultern und über den morgendlichen Zeltplatz zu stiefeln. Im Bus hieß es dann erst einmal Schlaf nachzuholen. Rund drei Stunden später erreichten wir das Haus des Kanuverleihers, ein Deutscher, der nach Schweden ausgewandert ist. Im einsetzenden Regen, wie sollte es auch anders sein, bauten wir die Zelte auf und suchten darin Schutz. Einzig der Hunger trieb uns wieder hinaus. Jeweils zu viert hatten wir schon auf dem Jamboree die wichtigsten Nahrungsmittel und Konserven verteilt bekommen. Auswahl war an diesem Tag noch genug. Neben Spaghetti Napoli, Erbseneintopf und Pfannkuchen gab es Brot, Dosenwurst, Nutella, Käse und Gemüse. Jede Kochgruppe teilte sich ihre Rationen in den darauf folgenden Tagen selbst ein.

Am nächsten Morgen packten wir alles zusammen und gingen zu Kanueinlassstelle. Nach einer kurzen Einweisung und anfänglichen Schwierigkeiten mancher Boote konnte es auch schon losgehen. Allerdings kamen wir an diesem Tag nur recht langsam voran. Als wir nach einigen Stunden an einem Wasserwerk ausstiegen, um unsere Kanus umzusetzen und eine Kleinigkeit zu essen, fing es an zu gewittern. Durch den notgedrungenen Halt konnten wir erst sehr viel später weiterfahren, als geplant. Es war schon etwas dunkler geworden und Nebel zog aus dem Schilf auf. Der Wind war immer noch stark und als wir aus dem Nebenarm ins offene Gewässer eines großen Sees fuhren, peitschte er uns die großen Regentropfen nur so ins Gesicht. Die Wellen ließen unsere Kanus wie kleine Nussschalen auf dem See schaukeln. Mit dem Bootsgeschwader hielten wir Kurs auf eine kleine einsame Insel, die uns diese Nacht als Schlafplatz dienen sollte. Allein dass wir dabei passenderweise die Titelmelodie aus Fluch der Karibik anstimmten, machte das ganze einigermaßen erträglich. Nachdem die Kundschafter die Insel als für unsere Zwecke tauglich eingestuft hatten, zogen wir die Kanus auf den Sandstrand hinaus und schleppten unsere Packsäcke und Tonnen durchs Dickicht. Am nächsten Morgen ging es gleich weiter und mit einer neuen Verteilung der Leute auf die Kanus kamen wir schnell voran. Auch an diesem Tag mussten wir wegen eines Gewitters länger Pause machen als gewollt, kamen aber am Spätnachmittag in Os, einem schwedischen Dorf, an. Hier konnten wir Dank freundlicher Nachbarn auf einem Kinderspielplatz übernachten, die Toiletten eines ehemaligen Bahnhofsgebäudes benutzen und ein Freund unseres Kanuverleihers brachte uns trockenes Holz für ein Lagerfeuer. Diese Eindrücke von fast unberührter Natur, Gastfreundlichkeit und gemeinschaftlichem Zusammenhalt machten unsere Kanutour zu einem wirklich prägenden Erlebnis. Von dort aus ging es mit dem Bus weiter zurück in den Süden, nach Malmö. Die letzten beiden Tage unserer Reise vergingen bei gemütlicher Stadterkundung und vielen Essens- und Einkaufsmöglichkeiten viel zu schnell.

Drei Wochen voller atemberaubender Erlebnisse und neuer Bekanntschaften gehen am Stuttgarter Hauptbahnhof zu Ende. Noch ein letztes Mal heftig gedrückt, verabschiedet man sich mit gemischten Gefühlen von einer Truppe, die einem in so kurzer Zeit, man glaubt es kaum, sehr ans Herz gewachsen ist. Trotzdem freut man sich auf zu Hause und manch einer wird sich vielleicht erst einmal ins Bett legen und anfangen zu träumen. Von SEINEM World Scout Jamboree 2011. Mit dem Gefühl, etwas für sein Leben mitgenommen zu haben, ein Souvenir, das doch um einiges mehr wert ist, als es eines der teuren Mitbringsel aus den schwedischen Geschenkeläden gewesen wäre.